Unternehmen aus der Immobilienwirtschaft entdecken Städte und Gemeinden als attraktive Partner. Die Einsatzgebiete sind so vielfältig wie die Gründe für die Kooperationen.
Großes Aufgebot auf dem Rathausplatz im oberbayerischen Penzberg: An einem Montagvormittag im vergangenen Juli hantieren dort ein Dutzend Menschen mit 3D-Laserscannern und Tablets, eine Drohne kreist um die Gebäudehülle des Rathauses. Begleitet wird das Ganze von der schaulustigen Penzberger Bürgerschaft, die dem geschäftigen Treiben aufmerksam folgt.
Fachleute des Software- und Dienstleistungsunternehmens Wowiconsult GmbH haben die Aufgabe, das historische Gebäude von 1880 millimetergenau zu erfassen. Ziel ist es, einen virtuellen Rathaus-Zwilling zu erstellen, ein exaktes digitales Abbild des Gebäudes. Für den Digitalscan der Außenfassade kommt der fliegende Lidar-Scanner Leica BLK2Fly zum Einsatz. Die Strukturen in den Innenräumen werden mit dem handgeführten Leica BLK2Go erfasst – präzise Arbeit, ausgeführt von erfahrenen Profis aus der Wohnungswirtschaft.
Wirtschaft und Verwaltung im Schulterschluss
In der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ist Wowiconsult seit Langem etabliert. Seit 2007 unterstützt das in Baden-Württemberg ansässige Unternehmen die Arbeits- und Digitalisierungsprozesse von Wohnbauunternehmen, Genossenschaften und anderen Playern der Branche. In Rathäusern und Gemeindeverwaltungen war die Firma dagegen bis vor zwei Jahren weitgehend unbekannt. „Seither setzen wir unsere Expertise aus der Wohnungswirtschaft gezielt zur Unterstützung von Kommunen ein. Dafür haben wir die Softwarelösung mevivoCITY auf den Markt gebracht“, erklärt Wowiconsult-Chef Dr. Waldemar Müller. Wolle man den Gebäudesektor im Land dekarbonisieren und die Klimaziele einhalten, brauche es genau diesen Schulterschluss zwischen Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung.
Immobilienwirtschaft und öffentliche
Verwaltung suchen den Schulterschluss
In diesem Fall läuft das so: Die Stadt Penzberg will beim Klimaschutz einen Zahn zulegen. Dafür sollen insbesondere der kommunale Gebäudeenergieverbrauch gesenkt, der CO2-Ausstoß verringert und die steigenden Energiekosten in den Griff bekommen werden. Also wechselt die Stadtverwaltung auf ein digitales Immobilienmanagement, um Abläufe in der Liegenschaftsverwaltung effizienter zu gestalten und notwendige Energieeffizienzmaßnahmen zielgerichteter zu planen. Dafür benötigt die Stadtverwaltung einen erfahrenen Dienstleister, den sie in Wowiconsult gefunden hat.
„Das Projekt ist für die Stadt Penzberg ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaneutralität“, betont der Erste Bürgermeister Stefan Korpan. „Künftig kann der gesamte städtische Gebäudebestand auf Knopfdruck verwaltet und energetisch analysiert werden.“ Damit eröffnen sich der Kommune neue Möglichkeiten für eine effiziente Kosten- und Modernisierungsplanung ihres Immobilienportfolios.
Ortswechsel: Im Rathaus Geisweid der Stadt Siegen haben die Beamtinnen und Beamten der Stadtverwaltung seit längerer Zeit mit den Herausforderungen eines denkmalgeschützten Gebäudes zu kämpfen. Wenn der Wind wieder einmal besonders heftig durch das Siegerland weht, wird die Zugluft zur Zumutung im Bürgerhaus Baujahr 1970. An heißen Tagen wiederum, kann nicht gelüftet werden, da die sehr schwergängigen Fenster in manchen Räumen zur Sicherheit gleich ganz verschlossen bleiben.
Das hat Frank Demmer und sein Team von den Service Friends in Nümbrecht auf den Plan gerufen. Sie kümmern sich derzeit um die energetische Modernisierung des Rathauses, die sich die Stadt auf die Fahne geschrieben hat. Die Herausforderung? Im Gebäude aus den 70er Jahren greift der Denkmalschutz, sodass 200 Fenster komplett erhalten, aber energetisch modernisiert werden müssen. Die Service Friends erneuern jedes einzelne Fenster. Neue Dichtungen, moderne, in den Holzrahmen eingefräste Schließstücke und eine Verdreifachung der Schließpunkte (von vier auf zwölf) sorgen künftig für bessere Funktionalität und Energieeffizienz.
Wachstumstreiber: Energetische Sanierung
Trotz der anspruchsvollen Ausganssituation – die Fenster verfügen über eine 20 Millimeter-Nut und nur 4 Millimeter Falzluft – benötigen Demmer und sein Team für die Arbeiten insgesamt lediglich drei Monate, sodass die Modernisierung bereits Mitte April abgeschlossen ist. „Durch unsere Wartungsleistung kann die Stadtverwaltung künftig die CO2-Emissionen des Rathauses reduzieren und die Heizkosten erheblich senken“, so der Betriebsleiter der Service Friends.

Frank Demmers Chef heißt Dr. Christian Faden. Er ist Geschäftsführer der Roto Frank Professional Service GmbH aus Stuttgart, die unter der Dachmarke Service Friends insgesamt 36 Standorte in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterhält. Von dort aus warten, sanieren, sichern und erneuern die Service Friends Fenster und Türen für Privat- und Geschäftskunden. Zu diesen zählen Fenster- und Türenhersteller sowie -verarbeiter aller Marken, Versicherungsgesellschaften, Immobilien-Genossenschaften, Wohnungsverwaltungen oder Architekten, aber auch Gemeinden und Bauämter. „Der größte Wachstumstreiber für uns ist derzeit der Bereich der energetischen Sanierung“, so Faden. Angesichts der gesetzlichen Verpflichtungen zur nachhaltigen Nutzung und Ertüchtigung älterer Gebäude sei eine optimierte Dichtigkeit von Fenstern und Türen gerade bei Kommunen extrem gefragt.
Stabilität und Planbarkeit
Ganz offensichtlich sind Städte und Gemeinden aktuell für Firmen, die originär in der Immobilienwirtschaft zu Hause sind, besonders interessant. Warum schlagen Unternehmerinnen und Unternehmer so gerne mit der – im wahren Wortsinn – öffentlichen Hand ein? Zum einen locken langfristige Partnerschaften. Zwar berichten Branchenprofis von einem langen Atem, den es braucht, um Aufträge der öffentlichen Hand an Land zu ziehen, im positiven Fall können sich Unternehmen dann aber über eine strategische Partnerschaft freuen. Diese bleibt oft über Jahrzehnte hinweg bestehen und beschert der Branche regelmäßige Aufträge und stabile Einnahmen über viele Jahre hinweg.
Förderprogramme als Katalysator
Hinzu kommt der Zugang zu zahlreichen staatlichen Förderprogrammen. Städte und Gemeinden profitieren im besonderen Maße von Subventionen, die den Klimaschutz und nachhaltiges Bauen vorantreiben. Kommunen greifen auf diese Mittel zurück, um anspruchsvolle Projekte wie den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus oder die Dekarbonisierung ihrer Gebäude voranzutreiben. Für Unternehmen bieten sich dadurch nicht nur finanzielle Anreize, sondern auch Möglichkeiten, sich im Licht der Öffentlichkeit mit innovativen Projekten zu profilieren und eine technologische Vorreiterrolle zu übernehmen.
Das Penzberger Rathaus wird digital vermessen: Wowiconsult erstellt virtuelle Gebäudezwillinge, um die Liegenschaftsverwaltung zu optimieren und Energieeffizienzmaßnahmen planen zu können. (Foto: ©Stadt Penzberg/wowiconsult)

Vielfältige Geschäftsmöglichkeiten
Nicht zuletzt eröffnet die Vielfalt kommunaler Aufgaben spannende Geschäftsmöglichkeiten. Ob Sanierung denkmalgeschützter Gebäude, Bau moderner Wohnquartiere oder energetische Optimierung der Infrastruktur – die Einsatzgebiete sind breit gefächert. Gleichzeitig steigt der Bedarf an digitalen Lösungen, etwa für die präzise Planung von Energieeffizienzmaßnahmen oder die optimierte Liegenschaftsverwaltung. Diese breite Nachfrage eröffnet Unternehmen zahlreiche Chancen, ihre Expertise gezielt einzusetzen. Das hat auch Wowiconsult-Chef Dr. Waldemar Müller erkannt und sein Unternehmen frühzeitig positioniert. Denn das Potenzial bei der Digitalisierung kommunaler Gebäudebestände ist groß. „Bei unseren Nachbarn in den Niederlanden ist es gesetzlich festgelegt, dass alle Gebäude digital erfasst werden. Dort wird das ganze Land gescannt.“ Und wenn Deutschland einmal nachzieht, freut man sich in der Branche auf den ganz großen Rathaussturm.