Der EZB-Rat hat Anfang Juni beschlossen, den Leitzins um weitere 25 Basispunkte auf 2,0 Prozent zu senken – die achte Senkung seit Sommer 2024. Die Inflation liegt aktuell mit 1,9 Prozent unter dem Zielwert von zwei Prozent. Was das für die Immobilienwirtschaft, Baufinanzierungen und Investoren heißt, zeigt ein Blick auf die Reaktionen.
Die Entscheidung kam für viele Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer nicht überraschend – ein Großteil der Senkung war bereits eingepreist. Immobilienunternehmen reagieren überwiegend zurückhaltend. Ein positiver Effekt auf Investitionen in Real Assets ist nicht auszuschließen, erklärt Dr. Felix Schindler, Head of Research & Strategy bei HIH Invest. Die realen Renditen nominalverzinster Anlagen rücken näher an die Null-Prozent-Marke – das könnte Sachwerten neuen Auftrieb geben. Auch Investitionspakete in Infrastruktur und Verteidigung könnten zusätzlichen Schwung bringen.
Ob der Schritt tatsächlich zu günstigeren Finanzierungsbedingungen für Immobilien führt, ist allerdings offen. Francesco Fedele (BF.direkt) verweist darauf, dass sich die langfristigen Zinsen, die für Projektentwicklungen entscheidend sind, unabhängig von der Leitzinsentwicklung verhalten. Bei anhaltender Inflation könnten sie sogar steigen.
Auch die US-Zollpolitik und globale Spannungen könnten eine Rolle spielen, wenn es um weitere geldpolitische Schritte geht. So betont Schindler die Bedeutsamkeit langfristiger Perspektiven: „Für die Immobilienmärkte gilt es gerade in der aktuellen Situation und in den Turbulenzen an den Kapitalmärkten, die langfristige Perspektive sowie nachhaltige Werttreiber und Trends im Blick zu behalten. In den Portfolien sorgen Immobilien in diesem volatilen Umfeld für eine gewisse Stabilität.“
Die Bauzinsen selbst zeigen derzeit keine klare Tendenz. Nach einem Anstieg auf bis zu 3,7 Prozent für zehnjährige Darlehen haben sie sich bei rund 3,6 Prozent stabilisiert. Die Interhyp-Prognose sieht im weiteren Jahresverlauf eher Seitwärtsbewegung – eine deutliche Entlastung ist nicht in Sicht.
Bundesbankpräsident Joachim Nagel begrüßt den jüngsten Zinsschritt, sprach sich im Gespräch mit dem „Deutschlandfunk“ aber gleichzeitig dafür aus, nun keine voreiligen weiteren Senkungen anzustreben. Seiner Einschätzung nach befindet sich das Zinsniveau derzeit auf einem neutralen Kurs: in einem Bereich, der das Wachstum weder bremst noch ankurbelt. Dadurch gewinne man Handlungsspielraum. Es gehe jetzt darum, Entwicklungen wie Inflation, Konjunktur und geopolitische Risiken genau zu beobachten und mit der nötigen Ruhe zu reagieren.
Für die Branche bedeutet der Schritt der EZB damit vor allem eines: eine kurze Verschnaufpause. Ob daraus eine echte Trendwende entsteht, hängt weniger vom Leitzins als von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung – und vom Vertrauen, das sich daraus speist.
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