22.10.2025

„Ein Wohnungsanschluss mit Glasfaser wird auf jeden Fall notwendig.“

In unserer Interview-Reihe „Im Fokus“ verraten Fachleute der Wohnungswirtschaft, was die Branche wirklich bewegt. In dieser Ausgabe spricht Dietmar Schickel, Geschäftsführer der Dietmar Schickel Consulting GmbH, über den Glasfaserausbau in der Branche – warum er so entscheidend ist, welche politischen Rahmenbedingungen derzeit wichtige Impulse setzen und welche Rolle Wohnungsunternehmen dabei einnehmen sollten.


imo-news: Herr Schickel, Glasfaser gilt als Schlüssel für die digitale Zukunft. Warum ist der Ausbau gerade für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft so dringlich?
Dietmar Schickel: Wir haben zwischenzeitlich gelernt, dass Home-Office, Videokonferenzen und Home-schooling keine abstrakten Begriffe mehr sind. Es werden generell höhere Bandbreiten und ein besserer Netzausbau, unabhängig von einer Altersgruppe, gefordert. Auch beim Fernsehangebot greifen immer mehr Kunden auf Streamingdienste zurück und wollen natürlich Top-Qualität bei der Übertragung von Spielfilmen. Ganz zu schweigen von den Gamern, die Geschwindigkeit benötigen, um das nächste Level ihres Spiels zu erreichen. Natürlich genügt häufig das Angebot unserer heutigen Kupfernetze, also die alte Telefonleitung und das koaxiale Kabelnetz, aber es gibt eine physikalische Grenze bei den bisherigen Netzinfrastrukturen, die wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll überschritten werden kann. Dies gilt für die Kupfer-Doppelader als auch für die koaxialen Infrastrukturen. Das heißt ein Wohnungsanschluss mit Glasfaser, sogenanntes FTTH – Fiber to the Home, wird auf jeden Fall notwendig.

Viele Wohnungsunternehmen oder Eigentümer befürchten hohe Investitionskosten und langwierige Bauarbeiten. Welche wirtschaftlichen Argumente sprechen dennoch dafür, jetzt zu handeln?
Das Erstaunliche ist, dass häufig die Investitionskosten für die Wohnungsunternehmen überhaupt nicht anfallen. Die Anbieter von Glasfaser sind in der Regel bereit, die Installationskosten zu übernehmen. Dies gilt insbesondere für Wohnungsunternehmen, die mit einem wichtigen Gut aufwarten können – nämlich Wohneinheiten zumeist in größeren Clustern. Dies reduziert die Anbindungskosten für den Netzbetreiber und bietet ihm auch nach einem Ausbau gesichertes Potenzial für Jahre. Einen Ausbau zu eigenen Lasten empfehlen wir keinesfalls. Neben der finanziellen Belastung gibt es noch die rechtlichen Unwägbarkeiten, die dazu führen können, dass das Wohnungsunternehmen auf einmal selbst zum Betreiber wird. Auch die Idee, die Mieterschaft mit einem Glasfaserbereitstellungs-entgelt zu beteiligen, halten wir nicht für sinnvoll. Bei den hohen Belastungen der Mieter für Energie noch ein Entgelt für ein Netz zu zahlen, dass ich vielleicht überhaupt nicht nutzen will, halte ich eher für kontraproduktiv. Wir wollen, dass die Akzeptanz für Glasfaser steigt und nicht mit einem negativen, teuren Image versehen wird!
Die langwierigen Bauarbeiten sind nicht immer zu vermeiden, allerdings sollte ein Wohnungsunternehmen, das sich für einen Glasfaserausbau bis in die Wohnungen interessiert, immer mit dem Betreiber einen Bauzeitenplan verabreden, der Prioritäten setzt, Modernisierungen und Neubau Planungen beinhaltet. So kann man selbstbestimmt einen solchen Prozess steuern und im Griff behalten.

Wo liegen aus Ihrer Erfahrung die größten praktischen Herausforderungen im Bestand und wie lassen sich diese Hindernisse aus Ihrer Sicht am besten überwinden?
Die Herausforderungen liegen meines Erachtens weniger im Bestand als tatsächlich darin, einen Netzbetreiber zu finden, der bereit ist, möglichst den gesamten Bestand auszubauen. Man darf nicht vergessen, dass die Investitionen in den Glasfaserausbau doch sehr hoch sind und absolut nicht vergleichbar mit dem Bau der koaxialen Kabelnetze. Alle Betreiber haben ihre entsprechenden Ausbaupläne, ob eigenfinanziert oder über Förderung. Jetzt plant man dort ein bestimmtes Cluster auszubauen, man spricht häufig von Polygonen und das Wohnungsunternehmen in diesem Bereich ist aktuell nicht an einem Teilausbau interessiert, sondern möchte natürlich, dass alle Mieter in den Genuss eines solchen Angebots kommen. Die notwendigen Verhandlungen bringen eine Verzögerung mit sich, die häufig dazu führt, dass entweder am Bestand vorbeigebaut wird oder der Netzbetreiber sogar generell auf einen Ausbau verzichtet. Hier sollte das Wohnungsunternehmen für seinen Bestand bereits eine Glasfaser-Strategie in petto haben, um zeitnah auf solche Anfragen reagieren zu können. Ist es der richtige Partner für unser Unternehmen? Was sagen unsere vorliegenden Verträge zur Medienversorgung mit einem Kabel-Netzbetreiber über eine weitere Infrastruktur im Haus aus? Gibt es vielleicht alternative Angebote?
Selbstbestimmt eine eigene Strategie für den Glasfaserausbau aufzustellen und mögliche Anbieter zu suchen, ist sicherlich die bessere Vorgehensweise, als sich der Herausforderung zu stellen, ad hoc Entscheidungen über einen Glasfaseranschluss der Gebäude treffen zu müssen. Die Anbieter akquirieren zudem häufig einzelne Mieter, die dann ihrerseits versuchen eine Erlaubnis für einen Anschluss einzuholen. Die passende Antwort zu formulieren, ist mit einer klaren Strategie doch etwas einfacher und zeigt mein Wohnungsunternehmen ist auch in solchen Fällen obenauf.

Welche gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen setzen derzeit die wichtigsten Impulse?
Das neue Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung hat Mitte des Jahres ein Eckpunktepapier zur Modernisierung des Telekommunikationsgesetzes herausgegeben, um den Ausbau der Glasfaserinfrastruktur in Deutschland in allen Bereichen zu beschleunigen. Da haben Lobbyisten der Telekommunikationsunternehmen ganze Arbeit geleistet. Das Eckpunktepapier ist brandgefährlich und formuliert Vorschläge, die klar zum Widerstand der Wohnungswirtschaft führen müssen. Neu wäre hier zum Beispiel die Einführung eines Anspruchs für TK-Unternehmen auf Vollausbau aller Wohneinheiten eines Gebäudes unter Bedingungen – hier möchte ich gerne zitieren:

„Das TK-Unternehmen hat bereits mindestens einen Endkundenvertrag oder das Gebäude am Netz angeschlossen (NE3). Wollen TK-Unternehmen Endnutzer anschließen, mit denen kein Endnutzervertrag besteht, soll eine Eigentümerzustimmung erforderlich sein, verweigerbar aber nur bei sachlichen Gründen. Das Recht auf Vollausbau soll für den Erstausbau gelten. Der Abschluss des Ausbaus soll innerhalb einer Frist erfolgen. Zur Sicherstellung werden Sanktionen vorgeschlagen.“

Wohnungsunternehmen sollen einen Vollausbau nur abwenden können, wenn sie selbst oder ein beauftragtes TK-Unternehmen bereits aktiv in Sachen Glasfaserausbau geworden sind und einen Vollausbau planen oder bereits umgesetzt haben. Wenn ich als Wohnungs-unternehmen nicht damit einverstanden bin, muss ich mit finanziellen Sanktionen rechnen. Es ist klar, dass die wohnungswirtschaftlichen Verbände hier auf die Barrikaden gehen, abgesehen davon, dass der Vollausbau in der Regel die gewünschte Vorgehensweise darstellt und nicht der sogenannte bedarfsorientierte Einzelabschluss von Mietern. Zurzeit handelt es sich noch um ein Eckpunktepapier und keinen Referentenentwurf, der als Gesetzesvorlage dient, aber man sollte dies ernst nehmen. Unsere Empfehlung und da wiederhole ich mich gerne: jetzt sich aktiv mit dem Thema Glasfaserausbau auseinandersetzen und selbstbestimmt eine eigene Ausbaustrategie festlegen. Dies ist genau das Thema, mit dem wir uns tagtäglich auseinandersetzen und in individuellen Workshops mit Wohnungsunternehmen aufzeigen, wie man sich dieser Herausforderung stellt.

Welche Rolle sollten Wohnungsunternehmen Ihrer Meinung nach selbst einnehmen?
Dies ist wie so häufig abhängig von Größe und Lage. Wohnungsunternehmen im ländlichen Raum haben andere Bedarfe als Wohnungsunternehmen in der Stadt. Bei großen Unternehmen kann man sicherlich darüber nachdenken, welche Aufgaben man beim Glasfaserausbau übernehmen möchte, allerdings ist unsere Erfahrung hier, dass sich dabei ein stärkeres Engagement derzeit nicht auszahlt. Auch die steuerlichen und gesetzlich relevanten Bedingungen sollten nicht unterschätzt werden. Mit fair ausgehandelten Verträgen sichere ich mir auch als kleineres Wohnungsunternehmen meinen Freiraum und muss nicht als TK-Unternehmen aktiv werden und mögliche finanzielle und personelle Ressourcen für etwas aufbringen, was ich gegebenenfalls an andere Stelle besser einsetzen kann.

Wie wird sich der Glasfaserausbau in den nächsten fünf bis zehn Jahren entwickeln?
Wie bereits erwähnt sind unsere guten Kupfernetze in absehbarer Zeit nur noch mit viel Geld aufzurüsten – also wird man doch eher Glasfasernetze als moderne, zukunftsorientierte Infrastruktur errichten. Dies wird noch sicherlich die nächsten fünf Jahre benötigen, aber der kontinuierliche Ausbau erfolgt mit oder ohne Förderung – dagegen sollte man sich nicht verschließen, sondern sich den Prozess zu eigen machen und den Gebäudeausbau des eigenen Bestandes vorantreiben. Die vermehrten Angebote bei Bewegtbild in hoher Bildqualität auf unserem TV-Screen, die vielen nutzbaren Dienste über unseren PC oder die Datenmengen beispielsweise für den Betrieb von KI erfordern neue Netze und Bandbreiten im Gigabitbereich. Es wird sicherlich keine 10 Jahre mehr dauern, bis wir froh sind, dass wir in unseren Wohnungen einen Glasfaseranschluss haben, mit dem uns die gewünschte Bandbreite zur Verfügung gestellt werden kann.

Bildnachweis: DSC Dietmar Schickel Consulting GmbH


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