
In unserer Interview-Reihe „Im Fokus“ verraten Fachleute der Wohnungswirtschaft, was die Branche wirklich bewegt. In dieser Ausgabe spricht Lars Krauß, CEO von Greengineers, darüber wie Unternehmen der Wohnungswirtschaft kommunizieren sollten, welche Rolle dabei Social Media wie LinkedIn einnehmen und wie aus seinem Podcast „38 % Städte neu denken“ eine richtige Community wurde.
imo-news: Du hast Dir auf LinkedIn bereits eine große Reichweite aufgebaut und man könnte Dich als Key Opinion Leader, sprich Meinungsführer, der Branche bezeichnen. Wie erreicht man diese Reichweite und Position innerhalb der Branche?
Lars Krauß: Ich nutze LinkedIn seit über acht Jahren, vor allem als Plattform für persönlichen Austausch und echtes Netzwerken. Ich bin regelmäßig auf Messen unterwegs und knüpfe dort gezielt neue Kontakte, die ich direkt über LinkedIn weiterpflege. So wächst mein Netzwerk organisch und nachhaltig. Dabei habe ich für mich ein System aufgebaut, um LinkedIn fest in meinen Alltag zu integrieren – meist bin ich täglich 1,5 bis 2 Stunden aktiv. Der Austausch findet für mich oft lieber dort als per E-Mail statt. So sehe ich direkt das Profil, das Unternehmen und gemeinsame Kontakte. Nach Messen vernetze ich mich sofort, mache Screenshots zur Erinnerung und schreibe abends relevante Personen an oder verfasse einen Event-Beitrag. Der Fokus liegt nicht auf Marketing oder Vertrieb, sondern auf ehrlichem, persönlichem Austausch. Für mich ist LinkedIn daher kein Social-Media-Kanal im klassischen Sinne, sondern ein wertvolles Business-Tool, um mit relevanten Menschen ins Gespräch zu kommen und langfristige Verbindungen aufzubauen. Dabei kann man sich auch gezielt mit spannenden Unternehmen und Personen vernetzen, die man noch nicht kennt. Dafür ist LinkedIn da: für Austausch, Vernetzung und neue Impulse. Viele nutzen das Potenzial der Plattform noch zu wenig – dabei kann es sehr unkompliziert und bereichernd sein, wenn man sie bewusst einsetzt.
Wer so gut vernetzt ist, weiß auch, über was aktuell diskutiert wird. Was sind aus Deiner Sicht die Themen, die die Branche am meisten bewegen?
In meinem Umfeld in der Bau- und Immobilienbranche steht „nachhaltiges Bauen“ im Fokus. Dabei geht es nicht um das Schlagwort, sondern um konkrete Ansätze: Was kann jeder Einzelne tun? Was ist für Architekturbüros, Projektentwickler, Bauherren oder Handwerksbetriebe realistisch und sinnvoll? Zudem wird innerhalb der Branche viel über Zertifizierungen im Rahmen von Förderung gesprochen. Nachhaltigkeit lässt sich jedoch nicht standardisieren, sondern muss individuell an jedes Bauprojekt und dessen Rahmenbedingungen angepasst werden. Auch wenn Zertifikate gute Ziele verfolgen, sind sie oft zu unflexibel und lenken vom Wesentlichen, der tatsächlichen Reduktion von CO₂-Emissionen durch individuelle Maßnahmen, ab. Die Branche trägt hier mit rund 40 Prozent der Emissionen große Verantwortung und der Druck steigt. Genau deshalb habe ich Greengineers, ein Ingenieurbüro für nachhaltiges Bauen, gegründet. Wir entwickeln individuelle Strategien, begleiten und führen Zertifizierungen aus und machen ökologische Auswirkungen messbar. Mein LinkedIn-Auftritt unterstützt dabei, die Innovationen im Bereich nachhaltiges Bauen sichtbar zu machen, Akteure zu vernetzen und echte Umsetzung voranzutreiben.
Wie erlebst Du die Kommunikation in diesem Kontext innerhalb der Branche?
Früher drehte sich die Kommunikation in der Immobilienbranche fast ausschließlich um finanzielle Aspekte. In den letzten Jahren hat sich das durch geschmälerte Renditen und den zunehmenden Fokus auf Nachhaltigkeit ein wenig gewandelt. Es wird etwas mehr über Zukunftssicherheit gesprochen, aber längst nicht genug. Was aus meiner Sicht fehlt, ist eine klare Kommunikation darüber, welchen langfristigen Mehrwert und Zweck ein Projekt haben kann. Auch wenn ein Gebäude schon während der Bauphase verkauft wird, sollte langfristig gedacht werden. Dabei darf Nachhaltigkeit kein Marketing-Stichwort bleiben. Viele Unternehmen stellen eine ESG-Managerin ein und glauben, damit sei alles erledigt. Doch echte, glaubwürdige Nachhaltigkeitskommunikation funktioniert nur, wenn das gesamte Unternehmen versteht: Immobilien sind das Produkt – und genau dort muss Nachhaltigkeit verankert sein. Einige denken bereits ganzheitlich – etwa mit Themen wie Kreislaufwirtschaft oder Lebenszykluskosten –, aber bei vielen großen Playern fehlt noch der Weitblick.
Wie sollten Marktteilnehmer der Branche heute kommunizieren?
Mein Wunsch für die Immobilienbranche wäre mehr lösungsorientierte, offene und positive Kommunikation. Wir brauchen Mut, nicht nur Erfolge, sondern auch Fehler transparent zu teilen, und daraus zu lernen. Statt sich von Negativschlagzeilen treiben zu lassen, sollten wir Best Practices sichtbarer machen. Wir müssen mehr in lösungsorientierten Ansätzen denken und kommunizieren, warum zukunftssicheres Bauen funktioniert und gar nicht unbedingt teurer ist. In meinen Beiträgen zeige ich bewusst, was schon gut läuft. Aber die Branche braucht mehr davon – weniger Rendite-Fokus, mehr echte Zukunftssicherheit und ehrliche Kommunikation über Fortschritte und Rückschläge.
Und wie können Unternehmen Social Media wie LinkedIn dafür nutzen?
Viele nutzen LinkedIn noch wie klassische Medien – informativ, aber ohne echten Dialog. Dabei lebt LinkedIn von Persönlichkeiten, nicht nur von Unternehmen. Wenn ich als Lars Krauß poste, spreche ich die Zielgruppe der Greengineers auf persönlicher Ebene an, und genau das schafft Nähe und Vertrauen. Statt nur Projektnews braucht es auch ehrliche Einblicke: Erfahrungen, Eindrücke, auch mal Misserfolge. Die Kommunikation muss menschlich sein. Dabei sollten Unternehmen ihre Mitarbeitenden mit individuellen Stimmen und Perspektiven stärker einbinden. In anderen Branchen ist es längst üblich, dass Mitarbeitende auf LinkedIn mit einheitlichen Profil- oder Titelbildern sichtbar sind – und so gleichzeitig für ihr Unternehmen sprechen. In der Baubranche ist das eher weniger der Standard. Dabei liegt hier großes Potenzial, denn Mitarbeitende sind authentische Markenbotschafter. Das fördert eine offene, transparente Kommunikation, sowohl intern als auch extern. Und stärkt nicht nur die Sichtbarkeit des Unternehmens, sondern auch die Identifikation der Menschen dahinter.
Neben LinkedIn bist Du auch in der Podcast-Welt aktiv. Mit „38 % Städte neu denken“ hats du einen eigenen Podcast. Wie ist dieses Format entstanden und welche Idee steckt dahinter?
Ich habe früher selbst kaum Podcasts gehört, fand das Format aber immer spannend – vor allem, weil es Wissen auf eine unkomplizierte und persönliche Weise vermittelt. Die Idee für unseren Podcast „38 % – Städte neu denken“ entstand gemeinsam mit Carina Hahn, CEO von Olymp Consulting. Der Name steht für die 38 Prozent CO₂-Anteil, den die Bau- und Immobilienbranche erzeugt. Unser Ziel ist es, genau hier aufzuklären: Welche Lösungen gibt es wirklich und was funktioniert? Wir sprechen mit Menschen aus der Praxis, zeigen Best Practices, aber auch, was nicht geklappt hat. So fördern wir Reflexion und Innovation. Inzwischen haben wir über 160 Folgen aufgenommen. Und das Schönste ist die Community, die daraus entstanden ist. Menschen, die uns hören, uns auf Messen ansprechen, sich untereinander vernetzen, gemeinsam Ideen entwickeln. Daraus entstehen echte Verbindungen – und oft neue Projekte. Für uns ist der Podcast nicht nur Wissensplattform, sondern ein Werkzeug für echten Austausch. Und daraus hat sich sogar ein kleines, hierarchiefreies Netzwerkevent entwickelt, bei dem alle auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch kommen. Heute sind wir rund 50 Teilnehmende, wovon viele regelmäßig kommen. Uns geht es darum, dass jeder per Du und mit echten Kontakten nach Hause geht.
Bildnachweis: Lars Krauß