05.06.2025

„Die Balance zwischen Klimazielen und Wirtschaftlichkeit ist schwer zu finden“

In unserer Interview-Reihe „Im Fokus“ verraten Fachleute der Wohnungswirtschaft, was die Branche wirklich bewegt. In dieser Ausgabe spricht Ralph Cerny, Vertriebsleiter bei der METRONA GmbH & Co. KG, über die größten Herausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende im Gebäudesektor. Er erklärt, warum viele Investitionsentscheidungen aktuell auf der Kippe stehen, welche regionalen Unterschiede er beobachtet – und weshalb geringinvestive Maßnahmen ein sinnvoller Einstieg in die Dekarbonisierung sein können.


imo-news: Herr Cerny, welche Herausforderungen schildern Ihnen Kunden aktuell im Zusammenhang mit der Energiewende im Gebäudesektor?
Viele Kunden berichten von Unsicherheiten bei der strategischen Planung: Welche Maßnahmen sind gesetzlich erforderlich, welche wirtschaftlich sinnvoll und welche langfristig tragfähig? Besonders schwierig sei es, bei Bestandsgebäuden eine Balance zwischen Klimazielen und Wirtschaftlichkeit zu finden. Hinzu kommt, dass hohe Baustandards, umfangreiche Bürokratie und unsichere Förderprogramme Sanierungsprojekte in Deutschland zusätzlich erschweren. Durch den Regierungswechsel in diesem Jahr hat sich diese Situation nach Einschätzung vieler Marktteilnehmer weiter verschärft – etwa durch verzögerte Gesetzgebungsverfahren und unklare Förderrichtlinien.
Auch der Fachkräftemangel im Handwerk sowie lange Planungs- und Umsetzungszeiträume erschweren die Umsetzung. Hinzu kommt die Frage, wie Maßnahmen gegenüber Eigentümern und Mietern kommuniziert und gerechtfertigt werden können.

Wie unterscheiden sich die Herausforderungen bei Mischliegenschaften (Wohnen plus gewerbliche Nutzung) im Vergleich zu reinen Wohngebäuden?
Mischliegenschaften bringen zusätzliche Komplexität mit sich – etwa durch unterschiedliche Nutzungsprofile, Anforderungen und rechtliche Rahmenbedingungen. Gewerbliche Mieter haben häufig andere Ansprüche an Raumklima und Energieversorgung, was eine einheitliche energetische Sanierungsstrategie erschwert. Gewerblich genutzte Flächen haben in der Regel nicht nur Heizbedarf, sondern benötigen auch Kühlung. Daraus ergibt sich ein höheres Investment bei der Gebäudetechnik. Wichtig ist bereits im Vorfeld eine fundierte energetische Analyse, um eine wirksame Maßnahmenplanung überhaupt erst möglich zu machen.

Beobachten Sie regionale Unterschiede im Umgang mit energetischen Anforderungen?
Die Unterschiede sind deutlich. In Ostdeutschland wurde der Großteil der heute noch bestehenden Wohnungen direkt nach der Wiedervereinigung saniert. Der energetische Zustand vieler Gebäude ist dort daher oft besser als in den alten Bundesländern. Gleichzeitig reagieren die Mieter in diesen Regionen besonders sensibel auf steigende Nebenkosten, da vielerorts ein Mietermarkt herrscht. Vermieter stehen hier stärker unter Druck, Betriebskosten zu optimieren und Einsparpotenziale zu nutzen.
In den alten Bundesländern, speziell in den Ballungsgebieten, dominiert hingegen ein Vermietermarkt. Auch weniger energieeffiziente Wohnungen lassen sich dort in der Regel gut vermieten. Anders sieht es beim Verkauf aus: Der Markt reagiert spürbar sensibler auf schlecht sanierte Objekte. Hier geben die Preise deutlich nach, wenn der energetische Zustand nicht überzeugt.
Neben den regionalen Unterschieden spielen auch die Eigentumsverhältnisse eine Rolle. Private Vermieter und WEGs agieren aktuell sehr zurückhaltend. Die unsicheren politischen Rahmenbedingungen – insbesondere bei gesetzlichen Vorgaben und Förderprogrammen – führen häufig dazu, dass Investitionsentscheidungen aufgeschoben oder nur sehr vorsichtig getroffen werden. Im Gegensatz dazu setzen Genossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen häufiger auf langfristige Strategien zur Steigerung der Energieeffizienz und Reduzierung von CO₂-Emissionen. Diese Akteure gehen in der aktuellen Situation eher voran und setzen geplante Maßnahmen konsequenter um.

Welche Rolle spielen geringinvestive Maßnahmen im Gesamtkontext der Dekarbonisierung?
Geringinvestive Maßnahmen, wie beispielsweise der hydraulische Abgleich oder eine intelligente Heizungssteuerung, werden zunehmend als sinnvolle Ergänzung zur langfristigen Sanierungsstrategie erkannt. Sie bieten die Möglichkeit, kurzfristig Einsparpotenziale zu heben, ohne hohe Investitionen auszulösen. Besonders in der Phase der Planung oder bei begrenztem Budget können sie als Einstieg in eine schrittweise Dekarbonisierung dienen. Gleichzeitig liefern sie datenbasierte Grundlagen für spätere Entscheidungen – etwa durch Monitoring des Verbrauchsverhaltens oder erste Optimierungen im Betrieb.
So führt beispielsweise unser Tochterunternehmen myWarm auf Wunsch den hydraulischen Abgleich kombiniert mit einer Wärmepumpen-Ready-Analyse durch. Auf deren Basis kann später die Auslegung einer Wärmepumpe optimal geplant werden, um Über- oder Unterdimensionierungen zu vermeiden.

Bildnachweis: METRONA GmbH & Co. KG


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